Titanick Halle, Münster

 

Kettenspiele, 2020, Wandinstallation, mixed media, etwa 220x125cm
Menschenrechte1, 2020, 64x54x34cm, Papierhohlform, Acryl
Menschenrechte2, 2020, 80x37x19cm, Papierhohlform, Acryl

 

Welch wunderbare Ausstellung! Das Verhältnis zwischen den Menschen und der Natur, den Tieren, und das am Ende oder noch während einer Pandemie, die von Viren und ihren Wirkmächtigkeiten auf den Menschen bestimmt wird, ein geradezu notwendiger Diskurs zwischen den Welten der Wissenschaft und der Kunst! Forschende aus Theologie, Zoologie, Medizin, Biologie, Psychologie, Archäologie speisen ihre Schnittstellen zum Thema ein, KünstlerInnen erarbeiten daraus die Positionen zu ihren Werken.
Alle drei Werke spiegeln menschliches Tun basierend auf der Geisteshaltung des Anthropozentrismus. Der Mensch hat sich über Jahrtausende entwickelt zum bewertenden Zentrum der Welt. Er stellt sich über die Natur, über das Tier. Entstanden ist eine Hierarchisierung von Lebewesen. Der Gedanke an ein Miteinander auf Augenhöhe, wie die Archäologie es aufzeigt z.B. in der Interpretation altsteinzeitlicher Höhlenmalerei, ist aus dem Blick geraten. Die Achtung vor dem Tier, vor seinen Fähigkeiten, seiner Kraft und Größe, seinem Wesen und die Dankbarkeit gegenüber den Verwertungsmöglichkeiten sind verschwunden. Die dominante Frage dreht sich um das höchst mögliche Wohlergehen des Menschen, alles wird dem untergeordnet. Natur und Tiere sind Lieferanten, austauschbare Leerstellen im Denken des Menschen auf seinem individuellen Weg der freien Entfaltung. Was in der Domestizierung von Tieren begann, scheint sich heute fortzusetzen in einer selbstverständlichen Verwendung von Tieren, sei es als Versuchstiere, Lieferanten von Nahrungsmitteln, sozialen Funktionsträgern als Haustiere. Erlaubt man sich einen Perspektivwechsel, bleibt als Erkenntnis: der Mensch ist für die Tiere nur schwer zu ertragen.

In „Kettenspiele“ fallen weiße Blaupausen von alten Tierrassen ins Auge, auf schwarzem papiernen Feld, nur in ihren Umrissen und ihrer namentlichen Kennzeichnung. Die schwarzen Felder sind untereinander durch Ketten verbunden, sie bilden ein in sich festes System, das nach allen Seiten ergänzt werden kann. Als Gewichte, die diesen Vorhang beschweren, dienen menschliche Köpfe, die überschrieben sind mit Formeln aus der Biologie zur Genetik, Vererbung, etc. Die Ausrichtung des Tier-Vorhangs hängt ab von diesen Köpfen, d. h. der kognitiven Handhabung des Menschen. Die Köpfe scheinen in bestimmender Weise mit den Tierrassen verbunden. Vielleicht liegt darin ein Impuls, das nach menschlicher Nutzvorstellung ausgerichtete Züchten von Tieren zu reflektieren.

 

In „Menschenrechten 1 und 2“ dominieren große Steingebilde. Auf beiden liegen plastisch ausgebreitet Tiere, einmal ein Widder, einmal eine Maus. Leblos sind sie mit ihrem Körper der Steinoberfläche angepasst, sie gehen geradezu in den Stein über. Ihre natürliche Form scheint sich in die tote Materie des Steins verwandelt zu haben. Die Steine sind zu Altären geworden, auf denen die Tiere ausgebreitet liegen. Hier scheint sich der Mensch das Recht genommen zu haben, über das Leben von Tieren zu bestimmen. Da wo der Mensch seine selbst definierten Rechte geltend macht, werden Tiere geopfert. Die Rechte von Tieren werden dabei nicht thematisiert.


https://www.uni-muenster.de/AFO/projekte/Bioinspiration/weidebilder/index.html

 

https://youtu.be/RAAe8MFhGgk

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© Germaine Richter