G E R M A I N E  R I C H T E R

 

 

 

Aktuelles

 

 

Kunstvermittlung

 

Positionen zeitgenössischer Kunst

 

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jeweils 17.30 - 19.00

VHS Schwerte

 

 

Werkpräsentationen

 

MINIMAL -Kunst und Musik

"One plus one is not two"

Wandinstallation

Eröffnung 4.Mai, 2025, 11.00 

bis 10.Juli 2025

Musikschule Kamen,

Kamen, Bollwerk 6

 

Statt Land Fluss

"Ich ist nur ein Teil von mir"

"Ich ist auch eine Andere"

Eröffnung 9.Okt., 2025, 19.00

9.Oktober - 16.November 2025

Stadtmuseum Kamen, Bahnhofstr.21, Kamen

 

                                                                                                          

                                                                       

                                                                           Graphik zu "500 Jahre Reformation"

Künstler illustrieren Luther-Zitate

"Die größte Ehre, die ein Weib hat, ist allzumal, dass Männer durch sie geboren werden."

Gemeindezentrum an der Viktor Kirche

Schwerte, Marktplatz

Dauerausstellung

 

 

Aktuelle Ausstellungsbesuche

 

Mechanik und Menschlichkeit, Lehmbruck Museum, Duisburg,

23. März 2025 – 24. August 2025

 

Die Ausstellung „Mechanik und Menschlichkeit“ nimmt die Partnerschaft zwischen Eva Aeppli und Jean Tinguely, beide geboren 1925 in der Schweiz, in den Blick. Dabei versucht sie zwei Aspekte auszuloten: einmal den Blick auf das Private, sie waren miteinander verheiratet von 1951 – 1960. Darüber hinaus ergibt sich eine überraschende Darstellung gemeinsamer Werke der frühen 90er Jahre. Ihre Arbeiten, ihre Lebensanschauungen, ihre Themen, ihre Materialien -  in allen Aspekten fällt es spontan schwer, Gemeinsames zu finden. Und dennoch beziehen sich beide stark aufeinander und thematisieren immer wieder, wie wichtig, der/die jeweils andere für den eigenen Weg war.

Im Folgenden beziehe ich mich im Wesentlichen auf das Werk Eva Aepplis.

Ihre Puppen-Installationen machen sprachlos. In makelloser Verarbeitung von Seide und Kapok hat sie ausdrucksstarke Charakterköpfe geschaffen, deren körperlose Körper in Samt gehüllt, lange schmale Hände in sprechenden Gesten geformt, alles im gemeinsamen Sein oder im Sich-beziehen auf Gegenstände oder später auf Maschinen Tinguelys. Die genähten Köpfe, sie erscheinen im Original und auch als Bronzeguss, sind individuell, markant. Ausdrucksstark spielen sie mit den Gefühlen der BetrachterInnen, stumm senden sie Traurigkeit, Trostlosigkeit, Bestürzung aus. Alle erscheinen durch die feinen Nähte fragil und verletzt – oder gar vergangen.

Eine geheimnisvolle Nähe zum Tod scheint das gemeinsame Band zu sein, das ihr Werk zusammenhält. In der Abendmahlszene „La Table“ von 1965-67 sitzen 13 Figuren am Tisch, die mittlere ist der Tod, der die restlichen Zwölf zu umarmen scheint. Jede von ihnen setzt sich mit dem Ende auseinander, unausweichlich, zwingend, ihre Gesichter, ihre Körperhaltung, ihre Gestik, in allem ist diese Lebensbestimmung des Menschen ablesbar. Darüber täuschen auch nicht die feierliche Anordnung und die kostbaren Samtgewänder in wunderbaren Farben hinweg.

Auch „Fünf schwarze Witwen“ von 1969 nimmt dieses Thema auf. Alles an diesen Frauen trauert, die schwarzen Gesichter, die schwarzen Hände, die Gewänder und die Schleier. Nebeneinander haben sie ihren Platz auf einer Bank, sie sitzen dort isoliert, alleine, wortlos verharrend, auch wenn sie als Gruppe etwas gemeinsam tun. Die Gedanken Aepplis zu diesem Werk werden angedeutet in einem großen Foto von Tinguelys Atelier, in dem er auch schlief, dort steht im Blickpunkt sein Lotus 25/33 R6 und dahinter an der Wand sitzen die schweigsamen Witwen. Das Foto unterstreicht auch die unterschiedlichen Blickrichtungen der beiden KünstlerInnen, Tinguely liebte den Motorsport und damit die gefahrvollen Herausforderungen, Aepplis Gedanken kreisten um Lebensbewältigung, die unabwendbare Conditio humana.

Auch ihre Kohlezeichnungen und Ölbilder umkreisen die Vielgesichtigkeit des Todes. Als gänzlich natürliche Perspektive auf das Leben und die Welt nimmt Eva Aeppli diesen Aspekt menschlichen Seins an und arbeitet an seinen Erscheinungsformen. In prägenden Jugendjahren hatte sie die furchterregenden dunklen Seiten des Krieges erlebt, ihre Eltern nahmen 1939 bis 1945 drei jüdische Kinder auf und versteckten sie. Sie selbst bekommt sowohl von ihrem ersten Mann, Hans Leu, als auch von Jean Tinguely, jeweils ein Kind, beide wachsen bei den jeweiligen Großeltern väterlicherseits auf. Vielleicht kann man darin eine Kapitulation Aepplis vor dem Leben erkennen, obwohl sicherlich viele andere Erklärungen möglich sind. Aber die intensive Auseinandersetzung mit den Schattenseiten des menschlichen Seins boten ihr Lebenssinn und -inhalt für ein reifes künstlerisches Werk.

Vor allem ihre Puppen markieren im 20. Jahrhundert eine einzigartige Position, überragend in ihrer Vielschichtigkeit und Dichte. Diese Qualität wird auch sichtbar im Vergleich: ab Mai sind im Folkwang Museum in Essen die Puppen Paula Regos zu sehen, dazu die Puppe, die die Münchner Puppenmacherin Hermine Moos für Oskar Kokoschka anfertigte, sie war nach Aussehen und Maßen Alma Mahlers gearbeitet, oder die Puppen von Gisèle Vienne im Kolbe Museum in Berlin im September 2024, wo parallel dazu eine Ausstellung mit Puppen von KünstlerInnen der europäischen Avantgarde stattfand. Ganz leicht werden diese künstlichen Geschöpfe zu Trägern menschlicher Eigenschaften. Aber um den Betrachtenden zu berühren, bedarf es offensichtlich einer Tiefe und Vielschichtigkeit, dazu eines handwerklichen Könnens, diese Eigenschaften sind Aepplis Arbeiten in hohem Maße eigen.

 

 

 

Paula Rego. The Personal and the Political, Folkwang Museum Essen,
16. Mai - 7. September 2025

 

Endlich erreichen die Werke Paula Regos (1935 – 2022) auch ein breiteres Publikum in Deutschland, nachdem sie auf der Biennale in Venedig mit einigen Schlüsselwerken eine wichtige Stimme in der Hauptausstellung „The Milk of Dreams“ war – Träume und Albträume aus weiblichen Gedankenströmen.

Schon der Ausstellungstitel verweist auf die Verbindung Biographie – politische  Aussage. Paula Rego durchlebte die ersten 15 Jahre ihres Lebens die persönlichen Einschränkungen und Drangsale der Salazar-Diktatur Portugals, bevor sie in England durch die Möglichkeiten eines freien Lebens zu ihren kritischen Reflektionen fand. Immer ist persönliche Erfahrung der Hintergrund zu allgemeingültigen Aussagen.

So zeigt ein kleines Ölbild „Verhör“, das sie im Alter von 15 malte, eine junge Frau, mittig, auf einem Hocker, ganz in sich verschränkt, verdreht, verschlossen, links und rechts eingerahmt von zwei männlichen Gestalten, die nur frontal bis zum Hosenbund sichtbar sind. Sie scheint in diesem Verhör der übermächtigen Staatsgewalt der beiden Staatsdiener ausgeliefert zu sein. Keine Bewertung, keine Frage nach Schuld oder Unschuld, was sich aufdrängt, ist die Ungleichheit der Möglichkeiten, die Frage nach Macht und Ohnmacht. Diese Machtstrukturen in sozialen Zusammenhängen sind der Boden, auf dem die malerischen Erzählungen Regos sich ereignen.

So auch in der spielerisch anmutenden Serie „Girl and Dog“ aus den 80ern, mittelgroße, leuchtend bunte Tafeln, die alle ein Mädchen mit einem braven Haustier zeigen, in gemeinsamer Aktion. Aber welcher Seelenabgrund verbirgt sich in diesem oberflächlichen Spiel! Krault das Kind dem Hund die Kehle oder setzt es mit dem Rasiermesser zum Schnitt an? Füttert es das Tier liebevoll oder greift es ihm machtvoll mit kräftiger Hand in die Lefzen? Legt es ihm ein Halsband um oder wird es ihn an dieser Kette aufhängen oder erdrosseln? Auch nimmt man diesem körperlich kindhaften Menschen, betrachtet man die Proportionen und die Gesichtszüge, nicht das zarte Alter ab. Hier scheint jemand seine Machtposition auszutesten, der Hund ist aufgrund seiner Erziehung und Sozialisierung im Ausgeliefertsein, naiv und gutgläubig hält er still gegenüber seiner „Meisterin“.

Immer wieder treten Tiere als Verkörperungen menschlicher Zustände, und Eigenheiten   auf. Schon sehr früh entscheidet sich Paula Rego, statt die hässliche Seite eines Menschen ins Bild zu setzen, diese durch zugeschriebene Eigenschaften eines Tieres zu zeigen, als wage sie es nicht, ein menschliches Wesen durch direkte Aussagen zu beleidigen, so z.B. in den frühen Bildern zu den Zuständen der Salazar Diktatur oder auch in der kleinen Kohlezeichnung „Dog Woman“ von 1952, in der eine Frau mit gekrümmtem Rücken, aber Zähne zeigend zu kuschen scheint.

Politisch bedeutsam sind ihre großen Pastell-Bilder von einsamen Frauen nach einer Abreibung. Nichts Genaues wird hier gesagt, der Eingriff wird höchstens durch einen Eimer oder ein Handtuch angedeutet, aber an der Körpersprache und dem Gesichtsausdruck ist ablesbar, in welchem Schmerz und welcher isolierten Verzweiflung sich diese Frauen befinden. Gemeinsam mit einem Partner wurden sie schwanger, aber völlig alleine stehen sie die Folgen durch. Mit dieser Serie unterstützte Paula Rego die politische Bewegung zur Gesetzesänderung beim  Schwangerschaftsabbruch in Portugal. Ihr Blick richtet sich darin nur auf das Leben der Frauen und nicht auf das der ungeborenen Kinder. Das Leid und das Leiden dieser Frauen wird für die BetrachterInnen der Bilder beunruhigend greifbar.

Höhepunkt der Ausstellung ist eine installative Anordnung von 8 Pastell-Bildern und 8  Figuren in einem Schrank-Altar, „Oratorium“, von 2009, diese war auch auf der Biennale in Venedig 2022 zu sehen. Die Darstellungen thematisieren Übergriffe im menschlichen Zusammensein, Vergewaltigungen im Körperlichen und Seelischen, sie alle verweisen auf kritikwürdige Machtstrukturen in unseren täglichen Erfahrungen, sowohl bei Männern als auch bei Frauen. Die Figuren im Mittelteil, sie tragen Schwesternkleidung, kümmern sich um Kinder, sie scheinen hilflos, abgestumpft, unbeteiligt gegenüber dem Leid und der Hilflosigkeit der ihnen anvertrauten Kinder. Paula Rego stellte dieses Werk 2010 im Foundling Museum in London aus, einem Gebäude, das ursprünglich als Waisen-Hospital gebaut wurde. Sie scheint ihre Sicht auf gesellschaftliche Verwerfungen in dieser Form umfassend zu zeigen. Die Form des Flügelaltars, die in christlichen Kirchen dem Bildprogramm von Heiligen oder Geschichten aus der Bibel vorbehalten sind, kommt hier einem Tabubruch nahe, einer Kritik an unguten Machtstrukturen in den großen Religionsgemeinschaften.

Paula Rego berührt gesellschaftliche Schwachpunkte, die sich meist unsichtbar in Grauzonen abspielen. Ihre Darstellung setzt beunruhigende Gedanken über Zusammenhänge und Hintergründe in Gang.

                                                                   

 

Meine Eindrücke von weiteren Ausstellungsbesuchen finden sich hier

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© Germaine Richter