Vida y MuerteMKM Museum Küppersmühle für Moderne Kunst, Duisburg, zeitgleich Böhm-Kapelle, Hürth

28.September 2024 – 19.Januar 2025

 

 

So umfassend, vielseitig und reich - und wie man beim ersten Blick meinen könnte „etwas hoch gegriffen“ - wie der Titel „Leben und Tod“ ist auch das Werk Barcelós: Gemälde, Bronzeskulpturen, Skizzenbücher, Buchillustrationen, Texte und Keramiken. Beim Betrachten seiner Arbeiten verliert sich die Sparteneinteilung als etwas Künstliches, wir stehen vor vitalen Äußerungen zu Leben und Sterben, voll überbordender Lebenslust und brüchiger, morbider Todesgedanken, wobei das Lebendige, die Freude am Schaffen, am Begreifen der Welt sich dominant in den Vordergrund drängt.

Er selbst spricht von sich als „Maler“, dabei ist ihm gleich, auf welcher Fläche er malt, er gestaltet sich diesen Untergrund: alles kann zum Träger seiner Botschaften werden, Leinwand, Gips, Ton, Fundstücke, Naturmaterialien, auch Wände und Raumdecken, und am beeindruckendsten erlebe ich Versatzstücke von allem dicht beieinander. Beweise dafür sind die vielen Stillleben, die ihm Anlass geben, die Fülle des Lebens in gedanklichen Sprüngen zu präsentieren. Keine Spur von „still“: Getier (Fische, Garnelen, Krabben, Zebras, Schafe, Tiger und immer wieder Stiere) lagert auf Tischen, tritt aus dem Malgrund hervor, keineswegs siechend oder tot sondern höchst lebendig mit betrachtenden Augen, verspielt, sich aufbäumend, agierend. Kerzenleuchter schwingen durch die Luft, Blumen blühen schwungvoll aus Vasen, Flaschen, Gläser Schalen bevölkern die Tischgemeinschaften. Gemüse, allen voran Tomaten, reifen, vergehen und quellen dem Betrachter entgegen. Und immer wieder Totenschädel. In unserem Bewusstsein melden sie sich als Zeichen des Vergänglichen. Aber hier tritt dieses Vanitas-Symbol neben all den anderen Dingen einfach nur auf, es gehört dazu, ist wandlungsfähig und macht mit in diesem bunten Lebensreigen. Dabei kann ein Totenschädel auch einmal mit Rädern versehen sein und wie ein Spielzeugauto daherkommen.

In der Malweise vermischen sich realistische und abstrakte Erscheinungsformen, dazu Anmutungen aus Höhlenmalereien, afrikanischer Volkskunst bis hin zu den zeitgenössischen Äußerungen ungegenständlicher Expressionisten.

Beeindruckend die Keramiken. Schon auf der Biennale von Venedig 2009 zogen sie meine Blicke an. Keine Form folgt einer Erwartung. Sie wachsen, sie wölben sich, sie verbeugen und verbiegen sich, aus ihren Oberflächen springen neue Gewächse hervor, tiefe Einkerbungen und Mulden stoßen vor auf ein Inneres. Darüber Farbeinlassungen, Zeichnungen, Andeutungen von Lebenserscheinungen, Tiere, Pflanzen, Menschen, Mineralisches. Selbst die Silhouetten der Gefäße sprechen assoziative Gedanken an – alles Welt- und Lebensatem, der uns konfrontiert mit neuen Sichtweisen und Denkimpulsen, Entdeckungsfahrten ins sichtbar gemachte Unbewusste.

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© Germaine Richter